A--    A-    normal    A+    A++  
MENÜ
CC-BY: Simon StobbeCC-BY: Simon Stobbe

Dorothea Gräfin von Wiser

Dorothea Gräfin von Wiser wurde am 12. Dezember 1718 in London geboren. Ihr Vater, Christoph Martin Reichsgraf von Degenfeld, war preußischer Generalmajor und Gesandter in England. Von 1748 bis 1751 lebte er mit seiner Familie zeitweise in Heidelberg. Mehrmals hatte er versucht, seine Tochter zu verheiraten, wobei ihm finanzielle und religiöse Erwägungen wichtiger waren als persönliche Zuneigung. Dorothea war nicht bereit, sich seinen Plänen zu unterwerfen und mit 31 Jahren noch unverheiratet.

In Mannheim war Carl Graf von Wiser, Offizier eines Dragoner- regiments und Sohn des katholischen Friedelsheimer Schlossherrn, auf sie aufmerksam geworden und begann ihr Komplimente zu machen. Dorothea entschloss sich, ihm ihr Ja-Wort zu geben, obwohl sie wusste, dass ihre streng calvinistischen Eltern der Ehe mit dem katholischen Grafen niemals zustimmen würden. Sie stellte sie daher vor vollendete Tatsachen. In der Nacht vom 11. zum 12. Mai 1751 verließ sie heimlich ihr Elternhaus und floh mit Carl von Wiser nach Mannheim, weiter über die Schiffsbrücke nach Oggersheim und ließ dort sich mit dem Grafen trauen. Ihre Eltern waren entsetzt, beschuldigten Carl von Wiser der "Entführung einer Jungfrau" und betrachteten die Ehe als ungültig.

Dorothea beteuerte, dass es sich um keine Entführung handele und sie bei ihrem Glauben bleiben werde. Dennoch entzog ihr Vater ihr alle Ansprüche, die sie bei ihrer Eheschließung hatte, etwa 50.000,- Gulden. Um diese Summe wurden lange Prozesse geführt. Das Mannheimer Hofgericht erkannte die Ansprüche an. Der Reichsgraf berief sich auf die Zuständigkeit des Reichsgerichts in Wetzlar und bat den englischen und den preußischen König um Beistand, als das Mannheimer Gericht drohte, Grundbesitz des Reichsgrafen in der Kurpfalz zu enteignen. Erst im September 1754 kam es zu einer Versöhnung. Aus elterlicher Gnade erhielt Dorothea 30.000 Gulden. Davon verwendete sie 15.000.- Gulden für den Kauf des "Ramser- Hofes", eines Weinguts in Friedelsheim.

Die Mehrheit der  Friedelsheimer war damals calvinistischen Glaubens. Daneben lebten in dem kleinen Dorf auch Mennoniten, Lutheraner, Katholiken und Juden. Franz Joseph Graf von Wiser, Dorotheas Schwiegervater, war ein bigotter Katholik, der Reformierte hasste und ihnen das Leben in Friedelsheim schwer machte. Der Ehe seines Sohnes hatte er wohl nur wegen der Aussicht auf die hohe Mitgift zugestimmt. Nachdem er 1755 gestorben und Carl Schlossherr geworden war, begannen für die Friedelsheimer glücklichere Zeiten. Für die Calvinisten war Dorothea Schloss- und Schutzherrin zugleich. Sie kümmerte sich persönlich um ihr Weingut, besuchte regelmäßig die Gottesdienste in der Friedelsheimer Kirche und feierte fröhliche Feste im Friedelsheimer Schloss.

Als sie 1771 gestorben war, wurde sie in einer Gruft unter dem Chor der Kirche beigesetzt. In ihrem Testament hatte sie nicht nur Calvinisten, sondern auch  Katholiken und Lutheraner bedacht. Der Kirche schenkte sie wertvolles Geschirr für Taufen und für das Abendmahl. Mit ihrem Mut, sich nicht verheiraten zu lassen, hat sie ein frühes Zeichen der Emanzipation gesetzt. Ihre glückliche Ehe mit dem katholischen Grafen ist ein herausragendes Beispiel für religiöse Toleranz, gelebte Ökumene und den Beginn der Aufklärungszeit in der Pfalz.